22. Tagebuch


 Von Heinrich Wellner



Sri-Lanka


2024


 


Grußwort


MITTELS:TADT ST. INGBERT
DER OBERBÜRGERMEISTER


Sehr geehrter Herr Wellner,


Sie engagieren sich seit über 30 Jahren  mit Herzblut  und außergewöhnlichem  Einsatz für
bedürftige  Menschen  in Sri Lanka. lhre enge Verbundenheit  zu dem Land begann  1990, als Sie sich während  eines Urlaubs mit einem Fischer anfreundeten, der damals plante,  in Deutschland  zu arbeiten,  um Geld für ein eigenes  Boot zu verdienen.  Aus Sorge, dass der Mann nach seiner Rückkehr Schwierigkeiten  hätte, sich wieder zurechtzufinden,
entschieden  sie spontan  und ohne viel zu überlegen,  ihm direkt in seiner  Heimat zu helfen. Mit gesammelten  Spenden finanzierten  Sie das Boot des Fischers  -  der Beginn  einer beispielhaften Hilfsaktion, die lhr Leben und das lhrer ganzen  Familie seither prägt.
lm Laufe der Jahre erueiierten Sle lhr Engagement  erheblich und konzentrierten sich vor allem auf den Bau von Häusern  für bedürftige Familien. Dank der Organisation  von Flohmärkten  und großzügiger  Spenden  aus der Bevölkerung konnte Sie im Jahr 2024
wieder eine Reise nach Sri Lanka unternehmen,  um den Bau von sechs weiteren Häusern in die Wege zu leiten und zusätzliche  Hilfsaktionen  umzusetzen.  lhr unermüdlicher  Einsatz
ermöglicht  so vielen  Menschen den Aufbau einer eigenen Existenz und ein Leben in Würde. lhr selbstloses  Handeln ist in St. lngbert fest verankert  und ein beeindruckendes  Beispiel für
ehrenamtlichen  Einsatz.  Menschen wie Sie, lieber Hen Wellner, die über den eigenen Tellerrand hinausblicken  und tatkräftig Verantwortung  übernehmen,  bereichern  das
gesellschaftliche Miteinander  und sind Vorbilder  für uns alle.
Im Namen der Bürgerinnen  und Bürger von St. lngbert  spreche ich lhnen meinen größten Respekt  und aufrichtigem  Dank für lhre unermüdliche  Arbeit  aus, die weit über das übliche Maß hinausgeht.


St. lngbert, Januar  2025


Mit den besten Wünschen

Prof. Dr. Ulli Meyer
Oberbürgermeister


                                                                       I

 Dieses Jahr fliege ich schon sehr früh (18.09.2024) nach Sri-Lanka, wegen des Wetters. Aber wer kann sich heute schon auf das Wetter verlassen. Letztes Jahr gab es sehr viel Regen während meines Aufenthalts. Im Hof der von mir angemieteten Wohnung stand das Wasser vier Wochen lang 30 bis 40 Zentimeter hoch und das bei 30 Grad Tagestemperatur. Sogar auf der Straße stand das Wasser oftmals so hoch, dass der Schulbus.die Kinder nicht abholen konnte. Wenn ich zu meiner Arbeit oder einkaufen wollte, bin ich barfuß durch dieses Wasser (Brühe) gelaufen, oft noch 50 Meter auf der Straße bis zu meinem Tuk-Tuk. Ich habe mir öfter eine Flasche mit sauberem Wasser mitgenommen um mir die Beine abzuwaschen, aber nicht immer. Ich hatte mir im vorigen Jahr eine bakterielle Entzündung im linken Bein zu gezogen, die mir in Deutschland zwei Wochen Krankenhausaufenthalt eingebracht hatte. Es ist alles wieder OK.
Donnerstag: 19. September 2024
Ankunft in Sri-Lanka um 6.30 Uhr bei Sonnenschein und schon 25 Grad. Mein Flieger hat 2 Stunden Verspätung. Bei meiner angemieteten Wohnung werde ich schon sehnsüchtig erwartet. Habe die gleiche Wohnung schon seit fünf Jahren. Fühle mich dort sehr wohl und vor allen Dingen sehr sicher. Mein Vermieter arbeitet in Italien, Mailand. Seine Frau Sriyan wohnte seit 3 Jahren im Apartment neben mir, sie bekam all die Jahre kein Visum um zu ihrem Mann nach Italien zu fliegen. Im letzten April hat es endlich geklappt. Denis -  heißt ihr Mann - konnte auch seine Schwester mit ihrer Tochter nachholen. Beide hatten auf dem gleichen Grundstück mir gegenüber gewohnt. Alle drei konnten englisch sprechen, so hatte ich oft Hilfe bei Telefonaten auf singhalesisch und wir hatten auch spannende Spielabende mit „Mensch ärgere dich nicht“. Nun wohnen die Eltern von Sriyan im Apartment neben mir mit zwei ihrer Enkelkinder. Ihre Mutter arbeitet in Anaratapura, ca. fünfzig Kilometer nördlich von Negombo. Der Junge von 18 Jahren spricht kein Wort Englisch und ist sehr schüchtern, ein Mädchen 15 Jahre spricht als einzige etwas Englisch. Beide haben kein Englisch in der Schule. Die Verständigung ist schon ein Problem.
Nachdem ich meinen Koffer ausgepackt habe, muss ich mich zuerst einmal hinlegen. Um halb elf gehe ich einkaufen und vor allen Dingen mein singhalesisches Handy aufladen, dass ich zu Hause anrufen kann. Nach dem ersten Anruf zeigt mir mein Handy für zwei Minuten sechs  Euro, vor zehn Monaten hat ein Anruf von drei Minuten fünfzig Cent gekostet. Jetzt maile ich halt, das kann ich auch ganz gut. Peter und Bärbel haben mir geschrieben, ich müsse WhatsApp auf mein Handy laden; vielleicht gibt es hier im Haus auch WLAN. Also WLAN gibt es nicht. Ich muss zu „Dialog“ mir eine Sim besorgen und die Gebühr für einen Monat bezahlen. Geht immer nur für einen Monat, danach kann ich in jedem Laden von Dialog für einen weiteren Monat nachladen.


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Samstag: 21.09.2024
Am Samstag hatte ich mein erstes Treffen mit Jeremy, der Frau von Nilushan. Nilushan arbeitet in Italien und organisiert alles von dort.
Seine Frau organisiert alles hier für mich. Wir hatten uns getroffen in Siriwardana-Place, dort hat sie mir zwei Familien vorgestellt. Die erste Familie ist ein Elternpaar mit zwei Kindern und den Großeltern in einer baufälligen Hütte, diese wird abgerissen, und auf dem Grundstück wird neu gebaut. Die zweite Familie ist eine behinderte Frau mit zwei Töchter von 20 und 22 Jahren, die in einer Hütte von acht Quatratmetern leben; sie bekommen ein Grundstück nebenan  von den Großeltern.
Anschließend fahre ich mit meinem Fahrer Manosch noch zu zu Dialog, ich brauche einen neuen Dongle, damit ich ins Internet komme. Dann brauche ich noch ein neues Ladekabel für meinen Laptop. Ich mache noch ein paar andere Einkäufe  und bin insgesamt vier Stunden unterwegs.


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Montag: 23.09.2024
Ich treffe mich mit Jeremy um neun Uhr in Munnakkara zur ersten Grundsteinlegung. Wir warten auf den Priester, der das Grundstück segnen soll. Nach einer halben Stunde fangen wir ohne ihn an. Es wird gebetet und ein Kirchenlied gesungen, die Mutter segnet die Baustelle mit Weihrauch und Sarrat, der Baumeister hat einen Eimer mit Speis vorbereitet. Ich steige als erster in die Baugrube um den Grundstein einzuspeisen. Obwohl die Baugrube nur vierzig Zentimeter tief ist, habe ich einige Probleme um rein und raus zu kommen. Das war vor vier Jahren noch nicht so. Nach mir steigt die ganze Familie in die Baugrube um einen Stein einzuspeisen. Danach kommen Nachbarn und Freunde. Nach jeder Einspeisung gibt es kräftigen Applaus. Neben der Baustelle ist ein kleines Büffet aufgebaut, auch hier muss ich als erster zu-greifen. Danach zeigt mir Jeremy die dritte Familie, die ein neues Steinhaus bekommt; sie leben in Munnakkara zusammen mit zehn Personen in einem kleinen baufälligen Haus; sie haben ein Grundstück gegenüber. Der Mann ist krank, kann nicht arbeiten und hat eine Frau und zwei Kinder. Wovon leben die?
Jede Woche gehe ich zwei bis drei Mal auf den Fischmarkt und kaufe für mich fri­schen Fisch und Shrimps die ich auch selbst zubereite. Ne­gombo hat einen der größten Fischmärkte in Sri-Lanka. Das meiste, was man hier kaufen kann,ist fangfrisch. Es gibt aber auch „Eisfisch“ das sind Fische von größeren Booten, die zwei oder drei Wochen auf dem Meer sind und die vor ihrer Ab­fahrt Eis gebunkert haben um so ihre Fänge haltbar zu ma­chen. Hier kann man sich auch den besten Fisch noch leisten. So kostet z.B. ein ganzer Thun­fisch von vier bis fünf Kilo­gramm acht Euro, oder ein Ki­logramm mittelgroße Shrimps etwa fünf Euro. Einen ganzen Fisch kann man sich putzen lassen für fünfzig Cent und die Shrimps putzt mir die Verkäu­ferin kostenlos.  Da macht das Einkaufen noch Spaß.


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Mittwoch: 25.09.2024
Wir haben zwei Grundsteinlegungen und danach zeigt mir Jeremy noch zwei Familien, die ein neues Steinhaus bekommen. Insgesamt kann ich dieses Jahr
sechs Häuser bauen. Meine Schwiegertochter Beate spendet für jede Familie noch ein Bett mit Matratze und ein Lebensmittelpaket. Beides wird bei der Hausübergabe übergeben. Ein Lebensmittelpaket besteht aus: 5 kg Reis, 1 kg rote Linsen, 1 kg Zucker, 90 g  Tee, 500 g Zwiebeln und 250 g Knobi.  Am Nachmittag fahre ich zum Schreiner, bestelle die sechs Betten und handle mit ihm einen guten Preis aus. Ein Bett mit Matratze kostet 139 Euro. Es wird am Tag der Hauseinweihung geliefert.


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Donnerstag: 27.09.2024
Mittwoch Abend ruft mich Jeremy an: Kannst du mich um 8.30 Uhr bei mir zu Hause abholen, wir haben eine Grundsteinlegung in Pittipana.
Das macht sich gut, denn für eine andere Familie, die auch in Pittipana wohnt, habe ich einen Brief dabei und noch etwas Geld für einige Lebensmittel. Das kann ich dann zusammen erledigen. Ich bin pünktlich und so sind wir auch pünktlich um 9 Uhr an der Baustelle. Aber das mit der Pünktlichkeit ist so eine Sache. Als Nilushan hier war, habe ich ihn immer gefragt, deutsche Zeit oder singhalesische Zeit. Ich muss vor der Baustelle fast eine halbe Stunde warten, werde dann mit einem wunderschönen Orchideenkranz von der Familie begrüßt und kann dann die Baustelle betreten. Es musste halt noch alles vorbereitet werden. Ein kleiner Altar wurde aufgebaut, ein kleines Büffet vorbereitet und ein Eimer mit Mörtel wurde noch angemacht. Die Zeremonie ist eigentlich immer die Gleiche.
Ich soll als erster in die Baugrube steigen, um den Grundstein einzuspeisen. Es hat heute Nacht hier geregnet, und in der Baugrube steht das Wasser fünf Zentimeter hoch. Ich lasse mir mit sechs Backsteinen einen festen und trockenen Stand in dem Wasser machen und kann dann trockenen Fußes den Grundstein einspeisen. Die Grube ist auch jetzt nicht mehr so tief für mich. Danach steigt die Familie barfuß in die Grube um einen Stein, der vorher mit Weihwasser gesegnet wurde einzuspeisen. Nach der Familie werden Verwandte und Freunde gebeten auch einen Stein einzuspeisen. Nach jeder Einspeisung wird kräftig applaudiert. Das kleine Büfett war mit Zeitungen abgedeckt, es wird frei gemacht und ich darf als Erster zugreifen. Danach machen wir uns auf den Weg zu der Familie, für die ich einen Brief und ein Lebensmittelpaket dabei habe.
Wenn mir Leute aus Deutschland einen Brief mitgeben, sage ich immer, setzt keine Adresse auf den Brief, sondern fügt ein Bild von der Familie bei. So kann ich die Familie leichter finden. Wenn ich hier Leute nach Straßennamen frage, kann mir keiner helfen, aber wenn ich ein Bild der Familie zeige, können die Leute meinem Fahrer den Weg zeigen. Dieser Familie haben Gaby und Norbert vor Jahren ein
Haus gestiftet und jedes Jahr wenn ich nach Sri-Lanka fliege, geben beide mir immer etwas für „ihre“ Familie mit.
Danach fahren wir zur zweiten Baustelle um Grundsteinlegung zu machen. Davon hat Jeremy mir vorher aber nichts gesagt. Zur jeder Grundsteinlegung war auch die Schwester von Nilushan gekommen. Ihr Mann arbeitet schon seit fünf Jahren als Fischer in Irland und war während  dieser Zeit nur einmal zu Hause.
Ich habe zwei zuverlässige Tuk-Tuk-Fahrer, Manosch und Kennedy. Als ich Manosch letzte Woche anrief, sagte er mir, sein Tuk-Tuk sei nur geliehen und er musste es gestern abgeben. Drei Tage später sagt mir Kennedy: Manosch ist in Italien, er sieht hier keine Perspektive für sich. Manosch ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Schon seit zwei Tagen sagt mir Kennedy, sein Tuk-Tuk mache Probleme, es müsse unbedingt in die Werkstatt. Wenn ich einen Fahrer brauche, soll ich ihn anrufen, er wird mir einen Fahrer schicken, ich bekäme auch von diesem lokale Preise.
Mittwoch: 02.10.2024
Jeremy ruft schon um 8 Uhr an: kannst du um 9 Uhr nach Munnakkara kommen, wir treffen uns an der Kirche, sie will mir die sechste Familie vorstellen. Es klappt. Kennedy schickt mir einen Fahrer und ich bin pünktlich in Munnakkara. Die Familie wohnt in einem Viertel, in dem wir schon viele Häuser gebaut haben. Es sind ein Ehepaar mit zwei Kindern und die Schwester der Ehefrau. Das Haus ist zwar ein Steinhaus, aber man glaubt, jeden Moment könnte das Haus zusammenbrechen. Ich frage, wie lange es dauert, bis das Haus abgerissen und alles für die Grundsteinlegung fertig ist. Der Mann sagt, er hat Freunde, die helfen, sie geben sich Mühe. Wir haben noch gut vier Wochen Zeit. Es dauert dann doch vier Tage, bis das Grundstück für die Grundsteinlegung fertig ist.


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Donnerstag: 03.10.2024
Es hat heute Nacht geregnet, und das Wasser steht im Hof 20 Zentimeter hoch. Da es schon längere Zeit nicht geregnet hat, kann der Boden das Wasser gut aufnehmen, und gegen zwölf Uhr ist das Regenwasser versickert. Das wird beim nächsten Regen nicht so sein. Ich fahre mit meinem Tuk-Tuk-Fahrer in die Stadt und kaufe mir als allererstes ein Paar Gummistiefel. Ich hab ein Problem: was heißt Gummistiefel auf Englisch. Ich erkläre meinem Fahrer mit Händen und Füßen, was ich kaufen will, es sind ganz einfach Wasserschuhe.
Freitag: 04.10.2024
Heute Nacht hat es wieder stark geregnet, im Hof steht das Wasser jetzt 30 Zentimeter hoch, und es regnet immer noch. Auch auf der Straße vorm Haus steht das Wasser knöcheltief.
Ich muss zu Einkaufen, ziehe meine Gummistiefel an und stecke die Sandalen in den Rucksack, so schaffe ich es trockenen Fußes bis in den Tuk-Tuk, wo ich auf Sandalen wechseln kann.
Die nächsten Tage habe ich habe ich wenig Programm, so kann ich an meinem Tagebuch arbeiten und am Nachmittag gehe ich in ein Hotel, wo ich mir eine Strandliege miete und den Pool benutzen kann. Alle zwei Tage besichtige ich auch die Baustellen. Es wird immer an zwei Baustellen gleichzeitig gearbeitet.
Donnerstag: 17.10.2024
Meine Familie kommt: Mein Sohn Peter mit Frau Beate, Enkelkind Josefine mit Mann Ole und den zwei Kindern Lars und Janosch und Stephan Oberhauser, ein guter Bekannter. Sie kommen mit Sri-Lanken-Airline. Ihr Flieger hat zwei Stunden Verspätung. Sie werden vom Hotel „Jetwing Sea“ abgeholt und sind gegen 8 Uhr in ihrem Hotel. Stephan steigt im Jetwing Blue ab. Um 9 Uhr ruft mich Peter an, sie könnten erst gegen zehn Uhr einchecken, das Hotel sei voll belegt. Das ist unmöglich. Ich war einen Tag davor in ihrem Hotel und habe höchstens zwanzig Gäste gesehen. Ich besorge mir einen Tuk-Tuk und fahre zu ihrem Hotel. Die Situation hat sich beruhigt, ihre Zimmer sind gleich fertig. Ursprünglich wollten wir um zehn Uhr zum Fischmarkt, Geldwechseln, Simkarten kaufen und Baustellen besichtigen. Wir verschieben das auf den Nachmittag, wenn alle etwas ausgeruht sind.

                            

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Samstag: 19.10.2024
Wir sind heute im Behindertenheim Waikalla. Seit einigen Jahren unterstütze ich auch dieses Heim mit Lebensmitteln und Medikamenten. Dieses Heim hat mir meine Vermieterin Jenny vermittelt. Nach unserem ersten Kontakt hat Jenny über WhatsApp an die Heimleitung geschrieben: was braucht ihr an Medikamente und Lebensmitteln und ich habe dann eingekauft. Jetzt ist Jenny in Italien, aber mit WhatsApp geht es auch von Italien aus. Sie sendet mir die Liste, was gebraucht wird, und ich kaufe ein.
Wir machen zwei Mal im Jahr Flohmarkt und Lars mein Urenkel hatte dieses Jahr einen eigenen Stand mit Spielsachen und alles was Kinder und Jugendliche so brauchen. Von seinen Verkaufserlös konnte ich die Einkäufe für Waikalla machen, super! 


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Sonntag: 20.10.2024
Die erste Hausübergabe. Jeremy ruft mich an: Kannst du mit deiner Familie um zehn Uhr nach Siriwadana-Place kommen zur ersten Hausübergabe, es wird auch ein Priester zur Einweihung kommen. Sie möchte auch wissen, mit wieviel Personen wir kommen. Für die erste Hauseinweihung habe ich mir auch eine Überraschung ausgedacht. Beate arbeitet das ganze Jahr für unsere zwei Flohmärkte, sie fährt im ganzen Saarland zu vielen Haushaltsauflösungen, wo sie die tollsten Sachen für unseren Flohmarkt ergattert. Natürlich alles kostenlos.
Wir sind pünktlich, müssen aber auf der Straße noch fünf Minuten warten. Dann darf ich als erster das Grundstück betreten. Die jüngste Tochter hängt mir einen  wunderschönen Blumenkranz mit Orchideen um den Hals, auch Beate und Peter bekommen einen solchen. Josefine und die anderen bekommen einen schönen Blumenkranz und beide Kinder je einen Blumenstrauß.  Nilushan hat ein großes Plakat machen lassen mit Bilder von Beate, Peter und von mir. Dieses ist vor dem Haus aufgebaut.
Die Hausfrau überreicht mir einen Teller, darauf liegt eine Schere und der Haustürschlüssel. Normalerweise darf ich das Band, das vor der Haustür gespannt ist, durchschneiden und dann der Hausfrau den Schlüssel übergeben. Sie darf dann die Tür aufsperren und als erste das Haus betreten. Ich sage  zu Beate: Das ist das erste Haus für dieses Jahr, mach du das doch bitte für mich, dann kann ich ein paar schöne Bilder machen.
Sie übernimmt das gerne. Neben der Haustür ist normalerweise eine Tafel eingemauert; darauf steht der Name des Spenders. Hier ist die  Tafel noch abgehängt und mit einem Tuch verdeckt. Ich sage dann zu Peter: Könnt ihr zusammen diese Tafel frei machen. Kein Problem. Die Überraschung ist groß , als auf der Tafel steht: Gestiftet von Beate und Peter Wellner. Das Haus wurde gebaut von den Einnahmen aus den diesjährigen zwei Floh­märkten. Der Priester ist auch pünktlich. Er grüßt die Familie und Gäste, dann segnet er die drei Räume mit Weihwasser. Es werden  Gebete gesprochen und Kirchenlieder gesun-gen. In der Mitte des großen Zimmers steht auf drei Backsteinen ein irdener Topf mit Milch; darunter wird ein Feuer gemacht, sodass die Milch zum Kochen  kommt:  wie diese Milch überkocht, so soll immer Überfluss sein in diesem Haus.
Auf einem Tisch ist ein Büfett aufgebaut, es gibt Kiribat (das ist Milchreis) und Lunu-Miris (das sind gehackte Zwiebeln mit Chili). Das wird zusammen gegessen; es ist leicht scharf aber sehr lecker, eine Art Frühlingsrolle. Es gibt auch verschiedene süße Sachen und Kuchen. Zum Trinken gibt es Tee, Cola, oder eine Trink-Cocosnuss.
Eine große Überraschung: Beate hat für jede Familie,  die dieses Jahr ein Haus bekommt, noch ein Bett mit Matratze gespendet. Nach der Zeremonie der Hausübergabe wird das Bett von dem Schreiner angeliefert.
Einige Familienmitglieder brauchen jetzt nicht mehr auf dem Boden zu schlafen.
Beate hat noch verschiedene Sachen mitgebracht, die sie zusammen mit ihrem Enkelkind Janosch verteilt. Ich habe eine große Tasche mit Kleidungsstücken zum Verteilen. Dabei geht es immer lustig zu. Nach vielen Dankeschön verabschieden wir uns. Alle sind nassgeschwitzt und freuen sich auf den Pool oder die Dusche. Es war ein schöner Morgen.


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Freitag: 25.10.2024
Kattegurunda und Molligoda
Schon am Mittwoch habe ich bei einem Großhändler die Bestellungen für das Behindertenheim „Marcsri“ und für fünfundzwanzig Familien in Molligoda abgegeben. Die Familien in Molligoda unterstütze ich schon am längsten. Auch das Marcsri-Hom unterstütze ich schon seit mehr als fünfundzwanzig Jahre. Lucky, bei dem ich fast jede Tour buche, hat an diesem Termin keine Zeit, und sein Van ist auch zu klein für acht Personen und fünfhundert Kilogramm Lebensmittel. Lucky kennt einen Unternehmer mit einem größeren Auto.  Als ich den Namen Krishanter höre, frage ich nach. Krishanter kenne ich auch schon seit zwanzig Jahren, da war er noch einfacher Tuk-Tuk-Fahrer. Jetzt hat er zwei Van. Krishanter kommt bei mir vorbei, wir handeln den Fahrpreis aus für acht Personen und fünfhundert Kilogramm Lebensmittel. Wir wollen die Lebensmittel schon am Donnerstag um 17 Uhr abholen, das habe ich auch mit dem Manager des Supermarkts so vereinbart. Ein Fahrer von Krishanter kommt mit einem kleinen Van um mich abzuholen und wir fahren zum Supermarkt. Das große Auto ist besetzt; sie werden heute abend umladen. Hoffentlich gibt das keinen Durcheinander. Beim Supermarkt ist schon alles vorbereitet, wir brauchen nur noch aufladen und bezahlen.
Samstag um 9 Uhr werden zuerst Peter mit Familie an ihrem Hotel abgeholt, dann Stephan; und zuletzt steige ich zu. Eine große Tasche mit Kleidern habe ich schon gestern im Auto abgegeben. So geht es pünktlich los, nach etwa zehn Kilometer fahren wir Autobahn bis ca. fünfzehn Kilometer vor dem Behindertenheim. Die Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn beträgt 100 km/h. Bei Regen 80 Kilometer. Für einhundert Kilometer brauchen wir doch zweieinhalb Stunden. Bei der Ankunft  ruft die Leiterin Frau Pereraden Priester an, der dieses Heim mit betreut; insgesamt betreut dieser Priester acht Heime in dieser Region. Sein Vorgänger, den ich auch schon viele Jahre kenne, wurde vom Bischof mit anderen Aufgaben betraut. Wir laden alles für dieses Heim ab, und Peter kontrolliert auf Grund der Rechnungen, dass alles seine Richtigkeit hat. Wegen des Umladens war doch vieles durcheinander geraten.


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Wir besichtigen zusammen das Heim, auch die Küche. Unsere Neulinge sind sehr betroffen, was sie hier sehen, vor allem die Kinder. Aber man muss das anders sehen, den Kinder hier geht es gut, sie haben zu Essen, haben ein sauberes Bett und werden gut betreut. Egal welche Behinderung die Kinder haben, ob geistig oder körperlich, alle besuchen eine Schule. Das wäre in einer armen Familie nicht möglich. Es wird auf offenem Feuer gekocht. Die Feuerstelle ist ca. zwei Meter breit und rechts und links vom Feuer ist eine Schiene, so werden die Töpfe hin und her geschoben.
Der Priester ist sehr freundlich, er will für uns ein Mittagessen zubereiten lassen.
Ich bedanke mich vielmals, und sage ihm, wir haben ein Zeitproblem.
Als wir wegfahren, rufe ich Nirosha in Molligoda an und sage, dass wir in einer halben Stunde kommen.Wir werden freudig begrüßt, und alle Kinder und Jugendliche helfen beim Abladen. Die Pakete und Säcke müssen fünfzig Meter getragen werden bis zur Verteilerstelle. Nirosha hat fünfundzwanzig kleine Zettel mit Nummern geschrieben und an die Dorfbewohner verteilt, so kann jede Familie nur einmal ein Paket bekommen. Stephan ruft die Nummern auf und Ole übergibt die Lebensmittel.
Danach verteilen Josefine und ich die mitgebrachten Kleider. Das gibt immer ein großes Hallo und wir werden fast erdrückt. Am Schlimmsten geht es zu beim Verteilen vom Modeschmuck. Zuletzt verteile ich noch ein paar Bilder vom Vorjahr.
Jedem von uns wird noch eine Trinkcocos­nuss angeboten. Beim Abschied geben mir Ni­rosha und Niluka noch ein paar Bananen, eine Papaya und eine Ananas mit und Grüße an die Familie zu Hause.
Gegen vier Uhr sind alle zurück in ihrem Hotel. Am meisten freuen sich Lars und Janosch auf den Pool.


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Sonntag: 27.10.2024
Zweite Hausübergabe.
Die Zeremonie ist so wie bei der ersten Hausübergabe, auch ein Priester kommt zum Einsegnen von diesem Haus. Es gibt ein kleines Problem, Jerremy hat vergessen, dem Schreiner zu sagen, dass heute eine Hausübergabe ist. Da die Familie aber von dem Bett nichts weiß, ist es doch kein Problem. Wir werden das Bett morgen um 9.30 Uhr anliefern. Anschließend um 10 Uhr hat Nilushan noch eine Bootsfahrt für uns durch die Lagune organisiert.
Montag: 28.10.2024
Stephan meldet sich schon um acht Uhr, sein Wetterradar habe für zehn Uhr Regen gemeldet; sollen wir da die Bootstour absagen. Peter meint, das Wetterradar sei so verlässlich wie die Vorhersage vom Ausgang eines Fußballspiels. Wir telefonieren eine Stunde, dann sagen wir die Bootstour doch ab.
Auch zur Bettübergabe fahre ich alleine, da ja Regen angesagt ist .Es ist eine freudige Überraschung, als das Bett mit Matratze angeliefert wird. Ich sage der Familie, dass dieses Bett meine Schwiegertochter Beate gesponsert hat. Nach vielen Dankeschön verabschiede ich mich und fahre, ohne dass es geregnet hat, und ohne Lagunenbootsfahrt nach Hause.


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Donnerstag: 31.10.2024
Heute ist die dritte Hausübergabe:
Es ist das Haus für die alleinstehende Frau mit den zwei Töchtern, die zusammen auf acht Quadratmeter gelebt haben. Hier ist die Freude besonders groß, man stelle sich vor, dass sie vorher auf acht Quadratmetern zu dritt gelebt haben. Jetzt
haben sie ein ganzes Haus mit drei Zim­mern. Nach der Haus­übergabe kommt jetzt noch ein Bett. Die bei­den Mädels waren total aus dem Häuschen.
Samstag: 02.11.2024
Hausübergabe in Pittipana.
Die Familie hat den Eingang von ihrem Haus mit Ballons in den Farben
schwarz – rot - gold geschmückt. Die Zeremonie ist die gleiche wie bei den vorherigen Hausübergaben.  Auch für diese Hausübergabe habe ich eine große Tasche mit fünfundzwanzig Kleidungstücken und etwas Modeschmuck dabei.
Die beiden letzten Hausübergaben sind für den fünften und sechsten November geplant . Den letzten Tag,  den 7. November, will ich mir frei halten, um mich bei einigen Bekannten und Freunden zu verabschieden.


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Sri Lanka 2024 – Eindrücke von Dr. Stephan Oberhauser.
Es war meine erste Reise in eine andere Welt, und ich war nicht vorbereitet. Weder auf das Land und seine vermeintlichen Sehenswürdigkeiten und schon gar nicht auf die Ereignisse und gut so. Ich hatte wohl schon eine Ahnung, dass einiges davon für mich unvorstellbar sein würde. Doch der Reihe nach.
Auf dem Frankfurter Flughafen begegnete ich den „Wellners“ - damit meine ich Beate und Peter Wellner plus Tochter Fine mit ihrem Mann Ole und den Kindern Lars und Janosch. Die vier haben den Nachnamen „Ohnesorg“, gehören in diesem Reisbericht aber zu den „Wellners“…
Die „Wellners“ hatten ganz viele Koffer dabei, voll mit Kleidern. Viele davon für die Menschen, die wir in den nächsten Tagen besuchen sollten. Jeder Koffer wog 30 Kilo, mehr war nicht erlaubt. Das hat mir imponiert. Da waren Profis am Werk, die nicht zum ersten Mal nach Sri Lanka unterwegs waren.
Nach einem kalten Hinflug mit kaum Schlaf Landung in Colombo in der schwülen, luftfeuchten Hitze Sri Lankas. Die Hinfahrt zum Hotel in Negombo gab mir eine erste Antwort auf die Frage, warum ich mir in Sri Lanka kein Auto ausleihen soll - und wenn überhaupt, dann eines mit Fahrer. Die Begrüßung im Hotel Jetwing Blue war so, als ob Sie auf mich gewartet hätten. Ich kenne das Begrüßen in Hotels, den freundlichen Empfang, das routinierte eingespielte Prozedere. Doch hier war es anders. Vielleicht lag es an der mit sehr bald zur schönen Gewohnheit gewordenen Geste der „gefalteten Hände“ oder am Lächeln oder an der Zeit, die man mir schenkte - oder an allem zusammen. Ich war erschöpft und fühlte mich auf eine besondere Art und Weise „angekommen“.


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Sri Lanka konnte beginnen.
Den ersten Tag verbrachte ich fast ausschließlich in meinem Hotel. Ich hatte ein wunderschönes Zimmer mit Balkon und Blick durch den Palmen-Hain auf das Meer. Nach einem ausgiebigen Frühstück (mit Hähnchen und rotem Curry, sehr scharf!) ein längerer Strandspaziergang – der Strand schloss sich nach wenigen Metern direkt an das Foyer des Hotels an. Erster Eindruck: Sri Lanka ist wahrlich (auch) ein Paradies. Der Gegensatz, der sich daraus ergab, hier das Hotel mit allem Luxus und traumhaft schönem Strand, dort die armseligen Behausungen und große Armut beschäftigte mich während meines ganzen Aufenthaltes. War das angebracht, in den Pausen zwischen unseren Reisen und Besuchen so luxuriös zu leben…?
Anschließend Besuch bei „den Wellners“ im Hotel Jetwing Sea und erstes Zusammentreffen mit Heini!



Den nächsten Tag (und auch fast alle Tage danach) begrüßte ich mit einem Bad im Meer. Warmes wunderbares Wellenrauschen! Danach im Tuk-Tuk mit Peter und Heini und Fahrer Kennedy erster Eindruck von Negombo-City: laut hupend, Geschäft neben Geschäft – Obststand neben Elektroschrottladen – und ein buntes Durcheinander an Leucht-Reklamen. Immer zuerst nach rechts schauen, da Linksverkehr und erster Stopp bei einem „Money-Changer“. Dort bekam ich dann für 300 Euro einen Haufen Rupien-Scheine und ein Gefühl dafür, was „mein Geld“ wert ist. Danach fuhren wir mit Heini in einen Coop-Laden durch eine Schranke, wo, laut Heini, nicht jeder hinkommt. Der Grund wurde mir gleich klar: Heini kauft dort immer Reis und Medikamente für eine vergleichsweise große Summe Geld ein. Er ist dort Großeinkäufer und gern gesehener Kunde, auf einem extra bereit gestellten Stuhl sitzend, sogleich umringt vom Chef und von Angestellten. Gewissermaßen ein VIP-Kunde, mit Recht! Am Nachmittag dann Besuch mit „allen Wellners“ in einem Kinderkaufladen – Lars hat heute Geburtstag! – und einem Kleiderg14 pteschäft, wo ich einen Sarong für mich gekauft habe…
Am nächsten Tag – für die Chronologie, es ist der 19. Oktober – stand unser erster Ausflug an einen von Heini ausge­wählten Ort auf dem Programm: ein Behindertenheim unweit oder auch noch innerhalb von Negom­bo. Als wir ankamen, war die Gruppe gerade bei der Morgen­gymnastik auf der überdachte14 ptn Terrasse, zumindest ein Teil davon. Neugierige Blicke, einige offen zugewandt, andere in ihrer eigenen Welt. Ein beklemmendes Gefühl. Eine Mischung aus Betrof­fenheit und auch Fassungslosig­keit…


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Wir wurden von den Frauen, die sich um die Bewohner rund um die Uhr kümmern, herzlich begrüßt und haben zunächst einmal Medikamente und Reis, die /den wir mitgebracht hatten, auf die Terrasse gestellt. Dann Besichtigung des Heims, die Be­troffenheit wuchs, auch ob der Schlaf- und Kochstätten: Ein Raum war mit gekachelten und vergitterten „Betten“ ausgestattet, die „Matratzen“ waren zur Säu­berung entfernt.
In der Küche stand gerade ein Topf auf einer Feuerstelle mit brennenden Holzscheiden. „Da kochen wir für 20 Personen.“ Hinter dem Haus ein kleiner Gar­ten mit direktem Zugang zum Fluss, palmenbewachsenes Idyll. Was für ein Gegensatz. Zum Ab­schluss dann noch ein Gruppenfoto mit nur lachenden Gesichtern.
In Sri Lanka gibt es einige solcher Heime, bei Leibe nicht alle Menschen mit Behinderung finden dort allerdings ein Zuhause. Viele leben in allerärmsten Verhältnissen und fristen nicht selten, von der Familie „aus Scham“ getrennt, im Hinterhof ihr Dasein.



Am Sonntag stand die erste Hauseröffnung und –einweihung während unseres Aufenthaltes auf dem Programm. Dank der Initiative von Heini konnten seit 2004 über 230 Häuser in Negombo und näherer Umgebung gebaut werden. Eine Fahrt mit mehreren Tuk-Tuks in einen Weg, wo bunte Luftballons am Eingang die Stelle markierten, wo das Haus errichtet wurde. Ein aus Stein auf einem Fundament gemauertes und mit Ziegeln bedecktes, etwa 40 qm neues Zuhause für eine fünfköpfige Familie: zwei kleine Zimmer mit Fenstern und Türen, ein länglicher Vorraum. Was für ein Lebensgewinn, was eine für Erleichterung für alle und was für ein Komfort im Vergleich zu den bisherigen „Behausungen“.
Beate durfte das Band vor der Eingangstür durchschneiden und gemeinsam mit Peter die Tafel neben der Tür enthüllen. Es war, was beide nicht wussten und eine Überraschung von Heini, ein Haus, das mit ihren Spendengeldern gebaut werden konnte. Ihr Name stand unter dem von Heini (der immer auf den Tafeln steht).


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Ein Tisch im Vorraum war reich gedeckt, und auf dem Boden in der Mitte kochte Milch in einem kleinen Topf auf einer Holz-Feuerstelle. Die Milch wird zum Überlaufen gebracht – und löscht das Feuer –, was Glück und Überfluss für die Familie symbolisieren soll.
Zuvor aber kam noch rechtzeitig der Priester, der gemeinsam mit den Anwesenden betete und abschließend das Haus, die Familie und alle Gäste segnete.
Im Hof vor dem Haus, es hatten sich auch Nachbarinnen und Kinder eingefunden, verteilten zum Abschluss Beate und Heini noch T-Shirts, Hemden, Blusen und Kleider, die sie aus Deutschland mitgebracht hatten. Vor allem Heini war in seinem Element und sorgte auch hier für viele strahlende Gesichter – und große Dankbarkeit, die uns gegenüber immer wieder gestisch und sprachlich zum Ausdruck gebracht wurde.


Nach kurzem Stopp in unseren Hotels starteten wir, zusammen mit unserem Fremdenführer Lucky, unsere vorher gebuchte viertägige Rundreise in den Sü­den und in die Mitte Sri Lankas. Lucky war ein großer Gewinn, sowohl menschlich wie „fach­männisch“. Er gilt als einer der begehrtesten Fremdenführer Sri Lankas und war weit mehr als nur Reisebegleiter.
Da ich in diesem Tagebuch vor allem von meinen Begegnungen und Besuchen, die Heini organisiert hatte und Aktivitäten im Rahmen seiner Initiative waren, berichten möchte, fasse ich die Rundreise ein wenig zusammen.


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Wir fahren „andersherum“ als geplant, zuerst in den Süden. Nach einer längeren Fahrt alle zusammen über die Autobahn – eine der wenigen, die es in Sri Lanka gibt – kommen wir schließlich in Merissa an. Auf dem Weg dorthin machen wir auch der Kinder zuliebe einen kurzen Stopp in einer „Meeresschildkröten-Farm“, in der junge Meeresschildkröten aufgezogen und auch eine seltene „Albino-Meeresschildkröte“ versorgt werden. Lars und ich halten jeweils eine schon etwas größere „im Arm“.
Unser Hotel in Merissa liegt direkt am Strand, mitten in den von Surferinnen und Surfern so beliebten „Spots“. Mein Freund Henner war vor mehr als 40 Jahren hier, kurz bevor wir uns zu Beginn des Studiums kennengelernt haben und Freunde wurden, bis heute. Die Nacht über regnet es ununterbrochen – es ist Monsunzeit in Sri Lanka -, und ich erwache in einer „großen Pfütze“ unter meinem Bett. Es ist 5.45 Uhr.
Zeit für die von uns im Vorfeld gebuchte „Wale-Watching-Tour“, die dann ob des schlechten Wetters und aufkommenden Gewitters „ins Wasser fällt“. Konkret: Wir gehen nach ca. einer Stunde auf dem Boot unter Deck und kehren nach einer kurzen Umfrage unter den Mitfahrenden in den Hafen zurück. Bis auf ein paar wenige Delphine und einen Thunfisch-Fischer (auf einem Einmann-Boot) „mit Beute“ sehen wir nur tobende Gicht und dunkle regenverhangene Wolken. Zwei Drittel der Mitfahrenden wird übel, nur wir, vorher mit Tabletten versorgt, kommen glimpflich davon. Lars trotzt jeder Welle, Peter und ich halten den Horizont im Blick (hilft gegen die Übelkeit), und Janosch schläft sogar in den Armen von Fine ein. Zum Glück hatte sich Beate schon vorher gegen die Tour entschieden…


Von Merissa geht’s am späten Vormittag weiter nach Tissamaharama (kurz „Tissa“) – mit einem Halt bei Angelika Riedlinger in Tangalle. Angelika stammt aus Kaiserslautern und hatte 2011 in Tangalle das Kinderheim Eliya eröffnet, nachdem sie bereits 2005 kurz nach dem Tsunami nach Sri Lanka gereist war, um den Flutopfern zu helfen. Heini hatte Angelika eine größere Summe Geld gespendet und wollte unbedingt bei ihr vorbeischauen. Wir machten allerdings nicht im Kinderheim halt, sondern in dem ebenfalls von Angelika errichteten Ibisbird Beach Guesthouse. So in etwa stelle ich mir das Paradies vor…


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Nach Ankunft in Tissa gemeinsames Abendessen in unserem wunderschönen Domizil und gleich ins Bett, weil wir uns am nächsten Morgen ganz früh in den nah gelegenen Yala Nationalpark aufmachen wollen. Abfahrt um 6.00 Uhr in einem offenen Jeep und mehr als drei Stunden Fahrt durch den Park mit vielen Vögeln (Lucky ist Ornithologe!) und Krokodilen, aber leider zu unser aller Enttäuschung ohne Elefanten. Bis kurz vor Schluss – wie waren schon auf der Fahrt zum Ausgang –, als plötzlich aus einem Busch eine kleine Elefantenfamilie direkt zum Überqueren des Weges auf uns zu kam!


Nach der Rückkehr ins Hotel machten wir uns auf nach Ella, eine Kleinstadt im Hochland auf ca. 1.000 Meter und umgeben von riesigen Teeplantagen. Zwischenstopp kurz vor dem Ziel am Wasserfall Kuda Ravana Ella. Sri Lanka ist wahrlich ein geographisches Füllhorn mit wunderbaren palmenbewachsenen Stränden und einem südlich gelegenen zentralen Hochland über 2.000 Meter, das in mehreren Stufen steil zum Tiefland hinabfällt – daher auch die zahlreichen Wasserfälle. Ankunft im Nebel und nach einem gemeinsamen Abendessen Nachtruhe – und ein Erwachen bei blauem Himmel. Die Sonne steht über Ella. Wunderbar.
Wir fahren weiter, noch höher und vorbei an einem reich bestückten Hindutempel, um schließlich nach Nuwara Eliya zu kommen, einem Ort, der im 19. Jahrhundert als Erholungsort für die britischen Kolonialbeamten gegründet wurde. Und das sieht man noch heute. Wir fahren vorbei an einem Golfplatz und einer Pferderennbahn;  auch das Postamt ist very british. Was für ein Gegensatz zu meiner „Heimstadt“ Negombo.
Weiterfahrt durch ein grünes Meer von Teeplantagen nach Pinnawala, wo es, so Lucky, ein Elefanten-Waisenhaus gibt, ein Zucht- und Schutzinstitut für wilde asiatische Elefanten. Wir werden Zeuge bzw. Beobachter eines im wahrsten Sinne ganz besonderen Umzugs: Die Elefanten laufen nach einem Bad in einem nahegelegenen Fluss durch eine enge „Souvenir-Straße“ ganz nah an uns vorbei zurück in ihr Domizil. Nicht nur für die Kinder ein besonderes Erlebnis.


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Um 18.30 Uhr kommen wir wieder in Negombo an – es ist der 23. Oktober.
Am anderen Morgen besu­chen Peter, Beate, Ole, Heini und ich den großen Fisch­markt von Negombo. Beson­ders beeindruckend die riesi­gen Flächen an Trockenfisch auf dem Strand, der Gestank und die Preise: das Kilo Thunfisch für umgerechnet sechs Euro.
Danach eine Fahrt mit dem Tuk-Tuk weiter zu einem glei­chermaßen vollgefüllten Obst- und Gemüsemarkt und schließlich zu einer Baustel­le, wo gerade ein Haus der Initiative errichtet wird.


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Für mich eine der prägendsten Begegnungen während meines Aufenthalts. Warum?
Heini erkennt auf der Baustelle einen Mann, der ebenfalls in einem Haus der Initiative wohnt und Heini bittet, ihm doch kurz einen Besuch abzustatten. Er wolle ihm seine Mutter vorstellen, die er in den letzten Monaten gepflegt hat und deshalb nicht arbeiten konnte. Wir warten im Vorraum, weil die Mutter noch aus dem Zimmer geführt werden muss. Dann steht sie vor uns: eine erblindete, skeletöse, sich trotz Unterstützung kaum auf den Beinen haltende Frau, die in unsere Richtung blickt. Als ich erfahre, dass sie erst 62 Jahre alt ist, gehe ich ins Freie.
Am Abend melden Israel und die USA Terrorgefahr für den Südosten Sri Lankas mit der Aufforderung, dass die israelischen Touristen Sri Lanka verlassen oder sich nach Colombo aufmachen sollen. Wir fühlen uns sicher.


Am nächsten Tag (25. Oktober) entscheide ich mich „gegen Wellners“ und für eine „Einzel-Tour“ mit dem Tuk-Tuk durch Negombo. Meine Ziele: der buddhistische Tempel Angurukaramulla und die beiden katholischen Kirchen St. Maria und St. Sebastian. Vor allem der Tempel ist einen Besuch wert. Ein wunderschöner farbenprächtiger Tempel, im Innern eine beeindruckende Skulpturenwelt und Wandgemälde im Rundgang, die Buddahs Geschichte abbilden. Ein Begleitheft, auch in Deutsch, lässt mich die Geschichte nachvollziehen.
Am Nachmittag gönne ich mir eine dreistündige „Ganzkörperbehandlung“ mit Ölmassage, „Schwitzsarg“ (eine befeuerte Holzkiste, aus der nur mein Kopf herausschaut) und einem Kräuterbad. Sehr empfehlenswert.


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Der nächste Tag ist wieder „ein Tag für die Initiative“: Wir machen uns um 9.00 Uhr voll bepackt mit Reis und Linsen gemeinsam auf in ein Behindertenheim in Kalutara, etwa 40 Kilometer südlich von Colombo gelegen. Junge behinderte Menschen leben dort und auch „ältere Ladies“, wie uns Heini erklärt. Das Heim ist größer als das zuvor besuchte und besser ausgestattet, zumindest was die Größe der Küche betrifft. Auch hier eine besondere Begegnung mit einer noch jungen Frau: Sie sitzt in einem Rollstuhl, ohne Arme und zwei verkrüppelten Beinen, mit dem einen bedient sie das vor ihr auf dem Rollstuhl liegende Handy. Sie hat studiert und arbeitet jetzt online für ein amerikanisches Unternehmen – und lässt es sich nicht nehmen, uns durch das Heim zu führen.


Weiterfahrt nach Wadduwa, einem „Dorf am Meer“, das Heini seit er in Sri Lanka ist, immer besucht und wo Heinis Engagement für Sri Lanka seinen Ausgangspunkt hatte. Man erwartet uns und begrüßt vor allem Heini ganz herzlich. Die Kinder helfen uns beim Transport von Reis und Linsen „auf den Dorfplatz“, wo sich alle versammelt haben, vornehmlich Frauen und Kinder – und auch die Kühe. Ole und ich verteilen die Nah­rungsmittel „nach Nummern“, die zuvor unter den Familien verteilt wurden. Danach bildet sich eine Traube um Fine, die auch hier wie­der Kleider, Hem­den und Blusen verteilt.
Immer wieder muss sie vor al­lem die Kinder in der vordersten Reihe bitten, ein wenig Platz zu lassen. Ein junger Mann mit stark entzündetem und zugeschwollenem Auge bekommt ein weißes Hemd mit Schulter­klappen – er strahlt übers ganze Gesicht.
Auf dem Weg zum na­hegelegen Meer bittet mich eine Frau mit ihrem Kind auf dem Arm zu ihrem Haus, eine ca. 15 qm große Hütte mit Planen an den Seiten und auf dem Dach. Wenige Meter weiter ein Idyll an Pal­men und weitem Sand­strand…


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Am Tag darauf, 27. Oktober, steht erneut eine Hauseinweihung auf dem Programm, die zunächst ob des Monsuns droht, ins Wasser zu fallen, aber dann doch möglich ist, weil der Regen ganz plötzlich aufhört. Die gleiche Zeremonie wie bei unserer ersten Einweihung: Band durchschneiden, der Besuch des Priesters, gemeinsam speisen und natürlich auch wieder „Kleider verteilen“. Ein fröhlicher, unbeschwerter Vormittag. Als ein Junge mir aus Dankbarkeit die Füße küssen will, halte ich ihn vorsichtig davon ab.
Am Nachmittag besuchen Heini und ich noch eine Familie – die Frau kennen wir aus dem Coop-Laden –, die schon seit mehreren Jahren in einem ebenfalls von der Initiative gebauten Haus wohnen. Da sowohl der Mann, er ist Tuk-Tuk Fahrer, als auch die Frau einer Arbeit nachgehen, haben sie Strom und auch einen Gasherd. Das ist ein besonderer Luxus.
Auf meine Bitte hin fährt Heini mit mir dann noch zu einer weiteren katholischen Kirche in Negombo, ebenfalls mit dem Namensgeber St. Sebastian. Ich will dorthin, weil diese Kirche einer der Orte in Sri Lanka ist, wo sich an Ostern 2019 Terroranschläge mit über 320 Toten ereignet hatten. Die Kirche ist ein Wallfahrtsort geworden, im Innern sieht man nichts mehr von den Anschlägen. Fast. Zwei nicht restaurierte Stellen sind mit einer Glasscheibe abgedeckt, darunter Einschlaglöcher und aufgerissener Stein: die Stelle, wo der Attentäter stand, und ein kleines Mauerstück an der Wand. Im rechten Querschiff steht eine Figur hinter Glas, voll mit Blutspritzern.


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Für den Abend habe ich Heini zu mir ins Hotel zum Essen eingeladen. Wir reden über Gott und die Welt und auch über ein mögliches Erbe all dessen, was er hier in Sri Lanka aufgebaut hat.
Es ist der 28.10., vorletzter Tag. Eigentlich wollten wir noch ein Bett in das am Vortag eingeweihte Haus bringen und eine Bootsfahrt durch die Lagunen unternehmen, aber die Wetterprognose hält uns davon ab. Stattdessen gehen wir bei dauerhaft strahlendem Sonnenschein in Negombo Shoppen – so viel zur Zuverlässigkeit von Wetterprognosen in Sri Lanka… Zurück im Hotel erlebe ich live eine buddhistische Hochzeit mit Tempeltänzern und einer wunderschönen Braut. Den Rest des Tages verbringe ich am Pool – und beginne, mich von Sri Lanka zu verabschieden.
Am letzten Tag setze ich meine Verabschiedung am Pool fort, kaufe noch ein paar Souvenirs für meine Familie zu Hause und verbringe den späten Nachmittag mit meiner „Sri Lanka-Familie“ an deren Pool im Hotel Jetwing Sea. Rückweg über den Strand gegen den Sonnenuntergang. Für ein gemeinsames Abendessen bin ich zu müde. Ich spüre auch, dass ich allein sein will.
Am 30. Oktober nimmt mich gegen 15 Uhr nach einem langen ruhigen Flug über Paris meine Frau Carmen in Frankfurt in den Arm.
Heute ist der 22. November: Ich bin wieder angekommen in meinem Alltag zu Hause in Dahn – und denke oft an die Tage in Sri Lanka. Und ich bin mir sicher, dass ich wiederkomme. Dann aber für einen längeren Zeitraum…

   

Heinrich Wellner
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Ich konnte dieses Jahr  sechs Häuser übergeben und zwei Heime mit Lebensmitteln und Medikamenten beliefern. Das ist gut in fünf Wochen zu schaffen, was ich auch im voraus wusste. Ich habe aber diesmal für sieben Wochen gebucht.
Im Hinterkopf war der Gedanke, dass es vielleicht das letzte Mal ist, dass ich nach Sri-Lanka fliege. Noch habe ich keinen Nachfolger. Doch jetzt, wo ich alles so gut überstanden habe, möchte ich auch nächstes Jahr noch einmal  nach Sri-Lanka fliegen, um für arme Familien Häuser zu bauen und Heime mit behinderten Kinder zu unterstützen. Ich hoffe, dass auch meine Spender mich nächstes Jahr wieder unterstützen.
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